L'autore:
Alissa Quart ist 1972 in New York geboren und dort aufgewachsen. Sie studierte an der Brown University und der Columbia School of Journalism. Sie hat wöchentlich erscheinende Kolumnen für „The Independent“ verfasst und schreibt unter anderem für die „New York Times“, „Elle“ und „The Nation“.
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Einleitung
Ich war elf Jahre alt, als ich zum ersten Mal ein Markenbewusstsein verspürte. Es war 1983. Ich spielte Basketball, aber ziemlich schlecht. Ich hatte Angst, dass wir alle im Schlaf in einem rosa getönten nuklearen Winter sterben würden. Mein Lieblingslied war »Heart of Glass« von Blondie. Ich dachte, ich sei transparent und zerbrechlich wie ein Herz aus Glas, insgeheim aber auch cool wie Debbie Harry.
Ich weiß noch, wie ich in der Umkleidekabine bei Macy's stand und überlegte, wie ich meine coole Haltung zur Geltung bringen könnte. Würden Jordache-Jeans oder Cordhosen von Esprit besser zu mir passen? In Anbetracht meines begrenzten Budgets (es reichte nicht, um ein passendes Oberteil dazu zu kaufen) wusste ich, dass man mich nie für eines der »normalen« Mädchen in meiner Klasse halten würde. Diese Mädchen hatten seidig glänzende Haare und perfekte Jeans von Gloria Vanderbilt, die mit weißen Schwänen auf der Gesäßtasche bestickt waren. Ich versuchte, meiner Mutter die Sportswear-Semiotik begreiflich zu machen, aber als überzeugte Feministin reagierte sie nur besorgt und verwirrt. Warum waren diese teuren Sachen so wichtig für mich?, fragte sie sich. Warum war Normalität wichtig? Die Antwort war natürlich ganz einfach: Es war der Jordache-Look!
Ich wusste es damals noch nicht, aber in jener Umkleidekabine ließ ich mich zum ersten Mal von einer Marke vereinnahmen. Ich wurde zum Esprit-Girl. Danach war mir stets bewusst, dass Kleidung und die Marke etwas über die
Träger aussagten und dass meine Kleider und Marken etwas über mich aussagten. In den folgenden zwei Jahren versuchte ich weiter, den »vollkommenen« Mädchen in meiner Klasse nachzueifern - den Mädchen mit hübscher Handschrift. Ich bemühte mich auch, wie die Mädchen zu sein, die in der Fernsehreklame im Discostil für Designer-Jeans tanzten. Anders ausgedrückt, hatte ich die Welt des von Selbsthass und Markenbewusstsein geprägten pubertierenden Teenagers erreicht.
Dieser Vorgang war nicht neu. Die Vermarktung von Produkten an Teenager als gesonderte Gruppe, die sich von Erwachsenen und Kindern abhebt, existierte schon, bevor der Begriff Teenager 1941 von der Werbewirtschaft erfunden wurde. Doch das Maß, in dem das Leben junger Menschen kommerzialisiert wird, hat sich verändert. Die Auswirkungen des Markenterrors auf Teenager und Kinder sind wesentlich gravierender als mein eigener Kampf mit dem Image einer Marke vor fast zwanzig Jahren in einer Umkleidekabine.
In den vergangenen zehn Jahren ist die Intensität, mit der die Hersteller für ihre Waren bei Kindern und Jugendlichen werben, exponential gestiegen. Die Teenager von heute sind die Opfer der Wohlstandsgesellschaft. Sie sind im Zeitalter der Marke aufgewachsen und wurden mit Markennamen und aufdringlichen und cleveren Werbekampagnen bombardiert und durch sie definiert. Teenager, die schon von der Wiege an in einer Warenkultur leben, bieten mit ihrem labilen Selbstbild und ihrem Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit die perfekten Eigenschaften, die die Werbung für ihre Zwecke ausnutzen kann. In Branded stelle ich das Ausmaß dar, in dem Marketing und Werbung das Leben von Teenagern beeinflussen und sie zu Menschen machen, die Charakter und Persönlichkeit über Marken definieren. Kinder sind heute früher denn je gezwungen, die instrumentelle Logik des Konsums zu akzeptieren. Wenn Schüler der Unterstufe eine Stadt besuchen, stürmen sie regelmäßig die Niketowns und schnappen sich die neuesten Nike-Turnschuhe wie Außerirdische, die zum Mutterschiff zurückkehren. Mädchen leiden heute früher als je zuvor an Magersucht, und die Werbung für Fastfood bezirzt immer geschickter die zunehmend fettleibige kindliche Bevölkerung. »Es gibt den ersten Schritt, das erste Wort und die ersten Pommes frites«, heißt es in einer aktuellen Reklame von McDonald's, und das zu einer Zeit, in der ein Drittel der amerikanischen Kinder zwischen vier und zwölf Jahren übergewichtig ist. Die Werbung löste Proteste aus, zumal das Fastfood-Unternehmen noch verschiedene andere Spots mit Kleinkindern schaltete. Viele Erwachsene wissen nur zu gut, dass Kinder heute nach Marken fragen, sobald sie sprechen können.
Diese und andere Entwicklungen hatten tief greifende negative Auswirkungen auf die Generation Y, also die Jahrgänge, die zwischen 1979 und 1995 geboren sind. Die Jugendlichen träumen in Technicolor und Sony Sound. Ihre Zeichen und Wunder sind die leuchtenden Logos, die die Einkaufsstraßen und Einkaufszentren säumen. Obwohl wir alle von Werbung überschwemmt werden und uns selbst über den Konsum mittels Logos und Produkten definieren, ist die Entwicklung gerade bei Teenagern besonders beunruhigend. 31 Prozent der amerikanischen Teenager gaben allein im Jahr 2000 155 Milliarden Dollar ihres »verfügbaren Einkommens« für Kleidung, CDs und Kosmetika aus.
Die Unternehmen im Jahr 2002 haben es aber nicht nur auf das Geld der Teenager und Kinder abgesehen. Mittlerweile zielen Marken darauf ab, sich in den Köpfen der Jugendlichen so festzusetzen, dass die Anziehungskraft ein Leben lang bestehen bleibt. Im Gegensatz zur älteren Bevölkerung haben die Teenager von heute ihr Leben mit Disney und Baby Gap begonnen. Von da an geht es nahtlos weiter: In der Pubertät sehen sie Horrorfilme von Dimension Film (im Besitz von Disney) und tragen Kleider von Old Navy, einer Seitenlinie von Gap.
Teenager leiden mehr als jede andere Gruppe in unserer Gesellschaft unter dieser umfassenden Vereinnahmung durch Marken. Sie machen sich mindestens genauso viele Sorgen wie ihre Eltern, genug Geld zu haben und ihren sozialen Status zu wahren. Dieser Angst, so wurde ihnen beigebracht, kommt man am besten bei, indem man noch mehr Markensachen kauft. Sie unterwerfen sich dem Markenterror, weil sie glauben, die einzige Möglichkeit, an der Welt teilzuhaben, bestehe darin, sich selbst zum Produkt oder Spion eines Unternehmens zu machen und dazu beizutragen, das Produkt bei anderen Jugendlichen zu verbreiten.
Es gibt aber auch Gegenreaktionen auf diese unerträgliche Kommerzialisierung der Jugend. Teenager wehren sich und lehnen Marken ab. Die Verführungskünste der Werbung erscheinen manchen Jugendlichen suspekt. Sie durchschauen das smarte und schicke Image solcher Marken wie Starbucks - weswegen die Kaffeebarkette auch eine der wichtigsten Zielscheiben der jungen Aktivisten bei den Protesten gegen die Welthandelsorganisation 1999 in Seattle war. Teenager wenden sich auch in zunehmendem Maße gegen das Sponsoring an Schulen und Universitäten. Sie spielen mit Slogans und schaffen ihre eigenen, komisch verzerrten Versionen wie zum Beispiel Starfs. Der Erfolg freier Software wie Linux oder von Musiktauschbörsen wie Napster verweist auf einen subversiven, gemeinschaftlichen Impuls. Dazu zählen auch verschiedene Versuche von Jugendlichen, sich ihre eigene günstige oder kostenlose Unterhaltung zu machen.
Die Kommerzialisierung der Jugend und die Anzeichen eines beginnenden Widerstands regten mich dazu an, Branded zu schreiben. Der Begriff verweist sowohl auf die Allgegenwart der Marken in den Träumen heutiger Teenager als auch auf die extreme Art und Weise, wie diese Namen mittlerweile die Identität von Jugendlichen definieren. Ich hoffe, dass die Berichte über die Vereinnahmung von Kindern und Teenagern durch Marken dazu beitragen, die gefährlichen Folgen unseres Materialismus zu begreifen.
1 Branded
Da ich in den achtziger Jahren Teenager war, kannte ich Statussymbole und Unternehmenslogos und ebenso die Unterschiede zwischen ihnen. Ich wusste, dass der Lebensmittelhersteller Beatrice die Fruchtsaftmarke Tropicana übernommen hatte (dank dem munteren Zusatz »Von Beatrice!« bei jeder Werbung), und mir war vollkommen klar, dass ich mich selbst vom Markendenken vereinnahmen ließ, wenn ich Converse-Turnschuhe trug und mir Joy Division anhörte, denn damit gab ich zu erkennen, dass ich mich innerhalb der Jugendkultur dem »College Rock« zurechnete, der sich nostalgisch am Art Punk orientierte. Meiner Ansicht nach lag ich in einem Stilkrieg mit den »normalen« Mädchen, die sich die Haare mit Produkten von Zazu tönten, blaue Plastiksandalen trugen und auf deren Blusen stolz das Logo »Polo by Ralph Lauren« prangte. Als Mädchen, dessen Identität auf der Ablehnung der Marken beruhte, musste ich natürlich jedem zeigen, dass ich sämtliche Logos in meinem Umfeld zerstörte. Sorgfältig trennte ich die Labels von meinen Levi's- oder Guess-Jeans. Ich glaubte, dass der hellere Umriss der Rechtecke und Dreiecke eine eigene Ästhetik der Entsagung hatte, die für mich sprach.
Seit damals hat sich die Pubertät stark verändert. Das Interesse der Teenager an Marken lässt sich nicht mehr auf das ganz normale Streben reduzieren, sich von anderen abheben zu wollen. Es geht weit über die Identitätsfindung oder Anpassung an die »Gruppe« hinaus. Das Vertrauen in die Marke hat sich verlagert: Marken sind bis ins Innenleben von Kindern und Jugendlichen vorgedrungen.
Man kann diese kommerzielle Neuschaffung der Teenager in der Werbung von Banken und Kreditkartenunternehmen in den Hochglanz-Magazinen für Jugendliche beobachten. Die Unternehmen geben vor, nichts über die wachsende Verschuldung von Jugendlichen wegen ihrer Kreditkarten zu wissen, und haben angeblich nichts damit zu tun, dass die unter 25-Jährigen mittlerweile die am schnellsten wachsende Gruppe der Schuldner stellen. In krasser Missachtung der Verschuldung jugendlicher Verbraucher haben die Finanzdienstleister Kredit- und Bankkarten speziell für Teenager geschaffen. Zu diesen Karten zählen etwa die Visa Buxx Card oder die Rocket-Cash-Kundenkarte von Coca Cola, bei der die Eltern oder andere Erwachsene von ihrer Kreditkarte Geld auf das Rocket-Cash-Konto eines Teenagers überweisen können.
Marketing-Spezialisten haben ihren Einsatzbereich mittlerweile auf die Neun- bis Vierzehnjährigen ausgedehnt, ähnlich wie städtische Grundstücksmakler es darauf abgesehen haben, vernachlässigte Viertel wieder aufzuwerten. Die Marketingspezialisten und Produktmana...
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